Sie ist heute kaum mehr zu finden und doch ist sie so wichtig für unser Zusammenleben. Oder etwa nicht? Was bedeuteten Verbindlichkeit und Verbundensein in unserer heutigen Gesellschaft eigentlich noch und wie werden wir alle mit diesen Themen nach dem Corona Virus umgehen? Ein Ausblick…

Verbindlichkeit – was bedeutet das eigentlich? 

„Verbindlichkeit ist im Deutschen ein interessanter Ausdruck, er hat nämlich verschiedene Bedeutungen. Verbindlichkeit heißt zum einen, dass du dich an das hältst, was du versprichst. Man kann auch sagen, Verbindlichkeit in dieser Richtung hat etwas mit Verantwortungsbewusstsein zu tun. Es heißt auch, dass du bereit bist, dich zu verpflichten und dann, dass Menschen auf dich zählen können.“ So wird sie beschrieben die Sozialität, also die Verbindlichkeit zwischen Menschen. Doch kennt es sicher jeder selbst aus eigener Erfahrung, dass Verabredungen nicht mehr eingehalten werden, oder dass sich Menschen ganz einfach nicht mehr festlegen möchten. Schließlich könnte einem vielleicht ja noch etwas Besseres vor die Nase kommen. Etwas zusagen und sich dann auch noch daran halten, ist für viele zu einem Fremdwort geworden. Doch war das schon immer so?

Verbindlichkeit im Wandel der Zeit

Vor allem die sogenannten Millenials und die Generation Y beschweren sich über eine zunehmende Oberflächlichkeit und Ungebundenheit. Spontan und flexibel klingt doch auch irgendwie besser als verbindlich, verbunden und verantwortlich. Woher kommt es also, dass wir die letzteren Begriffe so negativ belastet ansehen? Und war das schon immer so, oder hat es sich in den letzten Jahren verändert? Sind wir darauf konditioniert worden?

Mal sehen. Vielleicht. Ich weiß es noch nicht. Eventuell. 

Unsere Welt hat sich in den letzten Jahren verändert. Die Möglichkeiten sind schier unendlich geworden. Internet, Tinder, Facebook, Instagram, unzählige (digitale) Kommunikationsmöglichkeiten. Likes, Virtuelle Freunde, Kommentare, Follower – die neuen Maßstäbe der Zuneigung. Doch leider sind diese keinesfalls vergleichbar mit zwischenmenschlichen Begegnungen und Beziehungen. Ein Like kann doch keinesfalls die Wertschätzung ersetzen, wenn wir uns mit unseren Freunden verabreden, uns Zeit nehmen und zur vereinbarten Uhrzeit erscheinen. Wir suggerieren, dass uns die Person wichtig ist und wir ihre Gegenwart schätzen. 

Es scheint, als würden wir die neuen Kommunikationswege nicht dafür nutzen, um zusätzlich im Austausch zu stehen, sondern dadurch andere Aspekte menschlicher Kommunikation zu ersetzen. Man will sich eben alles offenhalten.  

Die Angst vor Verbindlichkeit

Viele wünschen sich jemanden, der sich für sie interessiert. Selbst wollen Sie jedoch meist kein Risiko eingehen. Das Zeitalter der Narzissten oder die Ära der schwindenden Eigenverantwortung?

Doch woher kommt dieser Irrglaube, dass Verbindlichkeit mit Risiko oder Angst verbunden werden? Viele vergessen, dass man auch durchaus mit einer anderen Person man selbst bleiben und Freiheit leben kann. Doch dann kommt ja noch das Problem der wiederholten Verletzung hinzu. Vergangene negative Erfahrungen könnten wiederholt werden und nur zu gerne wird projiziert. Wie genau Verbindlichkeit im Detail aussieht, muss jeder letztlich selbst bestimmen. Doch sollte sie nicht aus Angst vergessen werden. Denn Verbindlichkeit und Verbundensein machen glücklich.

Ja und Amen? Die Kraft des NEIN  

Wer jetzt denkt Verbindlichkeit bedeutet alles zuzusagen, der irrt. Zu oft vergessen wir wie wichtig ein „Nein“ sein kann und, dass es durchaus auch zu Verbindlichkeit gehört. Schließlich ist es unmöglich zu jeder Einladung „Ja“ zu sagen oder jeden Menschen zu mögen. Daher stellt ein respektvoll verpacktes „Nein“ durchaus eine reziproke Verbindlichkeit dar. Denn dann kann sich das Gegenüber darauf verlassen, dass man nicht zum Treffen kommt oder keinen weiteren Kontakt wünscht. 

Die Vorteile

Wer das Modell der Verbindlichkeit verstanden hat, wird durchaus merken, dass es Sinngehalt hat. Das Leben wird einfacher. Es hilft sich zu fokussieren und die Entscheidungskraft zu stärken. Schließlich fühlt sich doch ein echter Kontakt tausendmal besser an, als 10 Instagram Direct Messages. Statt Ablenkung, die viele vor allem durch extrinsische Leistungen wie maßlosen Konsum von Alkohol, Zigaretten oder anderem verstärken, rücken Selbstvertrauen, Aktivität, Ehrlichkeit und Selbstwert wieder stärker in den Fokus. Denn indem wir uns für andere interessieren, interessieren wir uns auch für uns selbst. Wer andere respektiert, respektiert auch sich selbst.

Verbindlichkeit als Lösung für unsere digitale Gesellschaft

Schlimme Krisen, wie aktuell hervorgerufen durch die weltweite Ausbreitung des Corona Virus, machen bewusst, wie wichtig Verbundenheit ist. Und, dass sie durchaus auch auf Entfernung bestehen kann! Aber eben nicht nur. Wir vermissen unsere Freunde, unsere Familie. Wir sehnen uns nach menschlicher Nähe. Schon Kants kategorischer Imperativ bezieht sich darauf, nur so zu handeln, wie man wollen würde, dass es ein allgemeines Gesetz werden würde. Oder um es weniger absolut zu formulieren: „Behandle andere so, wie du auch selbst behandelt werden möchtest.“ Wir sollten die Wochen für uns nutzen und uns besinnen. Auch in Bezug auf das menschliche Miteinander. Für uns. 


Photo by Kelly Sikkema on Unsplash

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